Geschichtsunterricht und Rechtspopulismus – Aufgabe einer historischen Medienbildung?
Der Aussage „In Deutschland darf man nichts Schlechtes über Ausländer sagen, ohne gleich als Rassist beschimpft zu werden“ stimmen fast 70 % der Jugendlichen laut der jüngsten Shell-Studie (2019) zu. Immerhin noch ca. die Hälfte der Jugendlichen meint, dass die Regierung der Bevölkerung die Wahrheit verschweigt und sich mehr um Ausländer als um hilfsbedürftige Deutsche kümmere. Über die Hälfte der deutschen Jugendlichen ist also empfänglich für populistisches Gewäsch.
Uff. Das ist harter Tobak. Auch wenn insgesamt die Zustimmung zur Demokratie und Migration erfreulich hoch ist, ist es doch ein Alarmsignal, was die Gesellschaft und Politik ernst nehmen sollten. Gerade Lehrerinnen und Lehrer sind hier in der Pflicht durch Haltung, aber auch durch Unterricht rechtspopulistische Aussagen zu dekonstruieren.
Geschichtsunterricht als Speerspitze gegen Rechtspopulismus
Insbesondere die gesellschaftswissenschaftlichen Fächer – allen voran Geschichte und Politik – sind hier die Speerspitze. Aber warum gerade der Geschichtsunterricht? Das berühmte „…damit wir aus der Geschichte lernen“ greift sicherlich zu kurz. Selbstverständlich geht es auch darum Lehren zu ziehen. Aber der Fokus liegt darin, dass die Schülerinnen und Schüler ein belastbares, kritisches Geschichtsbewusstsein entwickeln. Dazu gehört eben auch, dass sie rechtspopulistische Aussagen wie den „Vogelschiss der Geschichte“ oder die geforderte „erinnerungspolitische Wende“ hinterfragen und entlarven können. Aber auch der Umgang mit Diskursen in den sozialen Netzwerken zu tagespolitischen und auch häufig damit verquickten historischen Themen fallen hier mit rein. Denn gerade rechtspopulistische Diskurse haben sich auf Facebook, Youtube und Instagram verlagert: Wort,- Video- und Bildbeiträge in modernem und wissenschaftlich vermeintlich abgesichertem Gewand verleiten dazu rechtsextreme und z.T. auch revisionistische Geschichts- und Weltbilder unreflektiert zu übernehmen.
Historische Medienbildung: Die Lösung aller Probleme?
Diesen Umstand hat längst auch die Geschichtsdidaktik erkannt. Es gibt mittlerweile sehr brauchbare Ansätze von z.B. Ulf Kerber und Daniel Bernsen, die Konzepte einer historischen Medienbildung über eine Erweiterung des geschichtsdidaktischen Medienbegriffs entwickeln. Es genügt eben nicht nur digitale Inhalte abzurufen und im Unterricht zu konsumieren, sondern sind eben die eigene Partizipation und Produktion bzw. die Medienkritik geschichtsdidaktisch relevanter Medien zentrale Bausteine einer solchen historischen Medienbildung. Da rechtspopulistische Aussagen häufig mit verzerrten oder gar revisionistischen Geschichtsbildern spielen, bedarf es einer kritischen Geschichtsdidaktik und das berühmte „Handwerkszeug“ das die Schülerinnen und Schüler in die Lage versetzt zu selbstständigen Urteilen zu gelangen und so rechtsextreme und revisionistische Aussagen entlarven zu können.
Rechtspopulismus zu hinterfragen und zu entlarven ist also selbstverständlich eine Aufgabe der historischen Medienbildung. – allerdings ist sie sicherlich nicht das Allheilmittel. Denn sie darf auf gar keinen Fall Ersatz für die „analoge“ Geschichtsdidaktik sein, sondern kann nur eine notwendige Erweiterung der Fachdisziplin und somit des Unterrichts sein, um zeitgemäßen Geschichtsunterricht durchführen zu können. Auch hier kommt es insgesamt wieder auf den berühmten Methodenmix an.
Auf jeden Fall möchte ich alle Kolleginnen und Kollegen ermutigen sich dieser schwierigen Thematik zu stellen! Denn wir sind es, die im Rahmen des Unterrichts wichtige Präventionsarbeit leisten können.
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