Das digitale Denkmal #everynamecounts im Geschichtsunterricht

Das digitale Denkmal #everynamecounts im Geschichtsunterricht

Entgegen dem jüngsten im Tagesspiegel erschienenen LehrerBashing, sitze ich natürlich auch in den Ferien an der Unterrichtsplanung für die kommenden Wochen – eben weil mir der Unterricht am Herzen liegt. 😉  Ich möchte in diesem Beitrag das Projekt #everynamecounts der Arolsen-Archives vorstellen und erklären, wie ich es  in meinen Unterricht einbinde.

Was sind die Arolsen-Archives und was ist #everynamecounts?

Die Arolsen-Archives sind eine internationale Organisation, mit dem weltweit umfassendsten Archiv zu den Opfern und den Überlebenden des Nationalsozialismus. In der Selbstbeschreibung heißt es weiter:

„Die Sammlung mit Hinweisen zu rund 17,5 Millionen Menschen gehört zum UNESCO-Weltdokumentenerbe. Sie beinhaltet Dokumente zu den verschiedenen Opfergruppen des NS-Regimes, zur Zwangsarbeit sowie zu Displaced Persons und Migration nach 1945. Damit ist das Archiv eine wichtige Wissensquelle, besonders auch für jüngere Generationen.

Bis heute beantworten die Arolsen Archives jährlich Anfragen zu rund 20.000 NS-Verfolgten. Die Klärung von Schicksalen und die Suche nach Vermissten war über Jahrzehnte die zentrale Aufgabe der Institution, die 1948 von den Alliierten als „International Tracing Service“ gegründet wurde.“

https://arolsen-archives.org/

Im Rahmen des digitalen Projekts #everynamecounts entsteht ein digitales Denkmal für die Opfer des Nationalsozialismus, indem Daten und Namen digital erfasst werden. Denn die umfangreiche Sammlung an Dokumenten muss nicht nur digitalisiert, sondern vor allem anschließend bearbeitet und ausgewertet werden. Eben diese Auswertung geschieht im Rahmen einer Crowdsourcing-Initiative. Als Plattform wird das nicht-kommerzielle Zooniverse verwendet.

Aber auch abseits dieses Projekts lohnt es sich das Online-Archiv zu besuchen. Weiterführende Hinweise finden sich auch unter diesem Beitrag.

Wo kann ein solches Vorhaben eingebaut werden?

Ich habe lange überlegt, an welcher Stelle ich diese kleine projektorientierte Einheit einbauen möchte. Schließlich habe ich mich dazu entschieden, dass die Schüler*innen sich im Rahmen aktueller erinnerungskultureller Erscheinungsformen mit dem Projekt auseinandersetzen werden. Der Grund ist offensichtlich: Handelt es sich doch hierbei eben um eine solche Erscheinungsform, an der Lernende direkt im Unterricht partizipieren können – was will man mehr. Konkret wird die Doppelstunde im Unterrichtsvorhaben „Historisches Erbe und politische Verantwortung: Vergangenheitspolitik und „Vergangenheitsbewältigung“ in Deutschland“ im Leistungskurs Geschichte ihren Platz haben.

Innerhalb dieser Reihe bietet dieses Projekt zusammen mit der Bewertung des Instagram-Kanals @eva.stories den Reihenabschluss (hier findest du meinen in Geschichte lernen 194/2020 erschienenen Artikel mit Stundenplanung und Material).

Beim Aufbau der Doppelstunde folge ich weitestgehend dem didaktischen Leitfaden der Arolsen Archives, da dieser sich gut in die klassische Unterrichtsstruktur integrieren lässt: 

Einführung – Mitwirkung – Diskussion + Reflexion/Bewertung. Essentiell ist vor allem die Diskussion und Reflexion der Stunde. Denn zum einen sollen die Schüler*innen sich tiefergehend mit den Dimensionen der NS-Verbrechen auseinandersetzen, auf der anderen Seite muss natürlich auch eine Bewertung dieses Angebots erfolgen. Nur so ist es möglich, dass die Lernenden dieses Projekt als wichtiges geschichtskulturelles Zeugnis begreifen und ihr Handeln entsprechend einordnen und reflektieren können. Natürlich dürfen die Einzelschicksale, die zuvor bearbeitet wurden, nicht verschwiegen werden (s. u.).

Wie kann man das im Unterricht umsetzen?

Das Einführungsmaterial ist praktisch angelegt und sehr gut verständlich.  Allerdings ist es von Vorteil, wenn die Schule über WLAN verfügt und die Schüler*innen mit angemessenen Endgeräten ausgestattet wurden. Die Dokumente können zwar auch über das Handy bearbeitet werden, komfortabler ist aber sicherlich ein Tablet oder Ähnliches.

Es kann mitunter für die Schüler*innen schwierig sein die Dokumente zu lesen, da viele Dokumente handschriftlich verfasst wurden. Deshalb wähle ich hierfür als Sozialform auch die Arbeit in Zweierteams, sodass sich die Schüler*innen gegenseitig unterstützen können.

Die Nutzungsoberfläche ist sehr simpel gehalten und dadurch gut für den Geschichtsunterricht geeignet. Denn so werden sich voraussichtlich wenig technische Fragen stellen und die Lernenden können die knappe Unterrichtszeit effektiv nutzen. Die Eingabemaske gibt die Daten vor, die aus dem Dokument herausgefiltert werden sollen. An jeder Stelle ist es möglich zusätzliche Erklärungen angezeigt zu bekommen.

Die Arbeitsoberfläche

Da ich von den Schüler*innen nicht erwarte, dass sie einen Account erstellen, werden sie einen zusätzlichen Arbeitsauftrag erhalten: Sie machen sich zu ihren Dokumenten Stichworte, damit wir diese in dieser Diskussion und Reflexion aufgreifen können.

… und was ist das Ziel?

So ein Vorhaben darf natürlich kein Selbstzweck sein und muss (geschichts-)didaktisch begründet werden. Im Fokus stehen in dieser Doppelstunde Handlungs- und Methodenkompetenzen. In der letzten Phase (Reflexion und Bewertung) wird zusätzlich die historische (Wert-)Urteilskompetenz angebahnt.

Außerdem folge ich mit dieser Einheit der Empfehlung der „International Holocaust Remembrance Alliance“ (IHRA) zur Lehre und Lernen über den Holocaust:

Die Schüler*innen…

  • … arbeiten an Primärquellen;
  • … wahren das Andenken an die Individuen und einzelnen Gruppen, die verfolgt und ermordet wurden;
  • … arbeiten in einem Unterrichtssetting, das schüler*innenorientiert und aktivierend ist.

Außerdem

  • wird Geschichte individualisiert und Opfer bekommen Namen. So kann das Ausmaß des Holocaust greifbarer gemacht werden.

Ich hoffe, dass ich einige von euch dazu motivieren konnte, euch ebenfalls mit diesem einmaligen Projekt weiter zu befassen – sei es privat oder in der Schule.

Lektürehinweise

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